Die Toggenburger waren ein Ostschweizer Adelsgeschlecht, das dem reichsunmittelbaren Hochadel zuzurechnen ist. Der Schwerpunkt der Grafschaft Toggenburg lag in der Landschaft, die heute als «Toggenburg» ihren Namen trägt.
Der Grafentitel der von Toggenburg ist seit 1209 urkundlich nachgewiesen. Stammsitz der Familie war die Alt-Toggenburg, heute eine Ruine in der Gemeinde Kirchberg, Kanton St. Gallen. Kurz vor ihrem Erlöschen im Mannesstamm 1436 konnte die Familie durch Erbschaften und Pfandbesitze noch eine der größten Territorialherrschaften zwischen Eidgenossenschaft und Habsburgern errichten. Die strittige Aufteilung des Erbes der Toggenburger war einer der Gründe für den Ausbruch des sogenannten Alten Zürichkrieg zwischen den eidgenössischen Orten Zürich, Schwyz und Glarus.
Die ab ca. 1200 fassbaren Freiherren und ab 1209 zu Grafen aufgestiegenen von Toggenburg sind seit 1044 urkundlich nachgewiesen. In den Quellen tritt die Familie erstmals als Toccanburg, dann als Tochimburc auf. Die Anlage ihrer Stammfeste, die Alt-Toggenburg, lag auf einer Anhöhe in der Nähe von Fischingen. Heute befindet sich dort die Wallfahrtskirche der Heiligen Idda von Toggenburg (St. Iddaburg). Die Burg lag im Zentrum des toggenburgischen Grundbesitzes im heutigen Alttoggenburg und Zürcher Oberland. Eine weitere Burg der Toggenburger aus dieser Zeit ist die Lütisburg, 1214 als Liutinsburch erwähnt und vermutlich durch einen Liuto von Toggenburg gegründet. Die Städte Lichtensteig, Uznach und Wil sind Gründungen der Toggenburger.
Der genealogische Zusammenhang mit den im 11. und 12. Jahrhundert in teils zweifelhaften Quellen nach den Toggenburg benannten Herren, deren Wirkungsbereich und Verwandtschaftsnetz vom Raum St. Gallen über die Gegend von Wil, das untere Toggenburg, den Zürichgau und Schaffhausen bis weit in den süddeutschen Raum reichte, ist unklar. Eine Herkunft der Familie aus dem Zürichgau oder dem süddeutschen Raum ist denkbar. Die genealogischen Zusammenhänge zwischen Diethelm (erwähnt 1176?–1205/07) und Diethelm (erwähnt 1210?–ca. 1230), der mit Guta (von Rapperswil?), möglicherweise identisch mit Idda, verheiratet gewesen sein soll, bleiben ebenfalls ungeklärt. Die beiden waren um 1200 am Erbe mehrerer Adelsgeschlechter, unter anderem der von Alt-Rapperswil, beteiligt und standen unter landesherrlichem Druck des Klosters St. Gallen, des Bischofs von Konstanz und der Grafen von Kyburg. Die Erbkonflikte führten unter anderem zur Stiftung von religiösen Gemeinschaften, der Johanniterkommende Bubikon und der Klöster Rüti, Oberbollingen und Wurmsbach.
Im Rahmen der Auseinandersetzungen mit St. Gallen – in diesem Zusammenhang geschah 1226 der legendäre Brudermord Diethelms (erwähnt 1209–1236/47) an Friedrich (erwähnt 1214–1226) –, verloren die Toggenburger die Stadt Wil und die Festen Alt-Toggenburg, Luterberg, Lütisburg und Uznaberg. Zwischen 1226 und 1228 gründeten die Toggenburger Grafen Diethelm II. und Diethelm III. die am Jakobsweg gelegene und mit Gütern reichlich dotierte Johanniterkomturei Tobel, die als Bollwerk gegen das politisch expandierende Kloster St. Gallen entstand. Die Komturei wurde zur neuen Begräbnisstätte der Toggenburger. Zwischen 1228 und 1292/99 gingen die Vogteien über St. Johann im Thurtal, Fischingen und Embrach verloren. Die Neu-Toggenburg wurde zum Herrschaftszentrum. Unter dem letztgenannten Diethelm und dessen Erben konnte das Geschlecht seine Position im unteren Toggenburg dank der Verschwägerung mit gräflichen Geschlechtern wie von Montfort, von Werdenberg und von Frohburg-Homberg konsolidieren. Die Familie demonstrierte eine autonome, nicht von Landesherren hergeleitete Fähigkeit zur Gewaltausübung, etwa mit Kraft I., dem Sohn des letztgenannten Diethelm, und seinem Sohn Friedrich (erwähnt 1260–1303/05). Er zeichnete sich als Minnesänger aus und wurde in der Manessischen Liederhandschrift verewigt. Einzelne Familienmitglieder betrieben eine geschickte Versorgungspolitik, so Diethelms Söhne Berchtold und Rudolf. Ersterer wurde Kanoniker in Embrach, letzterer erfolgloser Abt in St. Johann. Heinrich, Friedrichs (erwähnt 1214–1226) Sohn, war unter anderem in Bubikon Johannitermeister.[1]
Kraft II. ist in zwei Urkunden von 1260 und 1261 belegt und starb spätestens 1266 als Jüngling. Kraft III. wird 1286, noch unmündig, erstmals erwähnt, war 1298 Konstanzer Kanoniker, ab 1301 Chorherr und von 1309 bis 1339 Propst am Zürcher Großmünster. Der 1286 erstmals erwähnte Kraft III. amtierte ebenfalls als Propst am Gro münster. Unehelich geborene Söhne wurden verpfründet.
Expansion nach Rätien
Die Toggenburger profitierten von der für Österreich peripheren Lage ihrer wichtigsten Herrschaftsrechte zu jener Zeit. Ab dem späten 13. Jahrhundert intensivierten sie ihre Herrschaft durch Stadtgründungen in Lichtensteig und Uznach, die Einführung dynamischer Abgaben (Vogtsteuer) und durch den Aufbau einer kleinen, schlagkräftigen Dienstmannschaft. Mit Friedrich (erwähnt 1260–1303/05) und Friedrich (erwähnt 1286–1315) wurden die Toggenburger spätestens ab 1292 zu den wichtigsten Militärunternehmern der Region. In ihre Fußstapfen traten später die Söhne des Letztgenannten, Diethelm (erwähnt 1319–1337), der mit Adelheid von Griesenberg verheiratet war, und Friedrich (erwähnt 1315–1364).
Dieser Friederich, der Chor- und Domherr zu Zürich geworden war, ehelichte Kunigunde von Vaz, die ihm die Vazschen Besitzungen im Prättigau, im Schanfigg und im Raum Maienfeld, Davos, Belfort und Churwalden in die Ehe brachte. Der Toggenburger wurde damit zu einem der mächtigsten Feudalherren der Ostschweiz. Kapital, Militärkompetenz und regionales Prestige verschafften Friedrich entscheidende Vorteile in der Auseinandersetzung um das Vazer Erbe. Gleichzeitig hatten die Toggenburger eine hohe Kompetenz in der Friedenswahrung. Sie wirkten unter anderem für Zürich, Österreich und die Herren von Werdenberg als Schiedsrichter. Die Familie verfügte über liquide Mittel und profitierte entsprechend als Kapitalgeber. Sie erwarb pfandweise Herrschaftsrechte und pflegte Beziehungen nach Zürich und Rom.
Im 14. Jahrhundert vergrößerten sich die Herrschaftsrechte der Familie durch den Erwerb von Eigentum und Pfändern markant. Im Südosten erwarben sie das obere Toggenburg, Besitzungen am Zürichsee die Vogtei in Erlenbach, die Burg Grynau, Tuggen und Wangen, als österreichische Pfänder Alt- und Neu-Rapperswil, ferner die Vogtei Einsiedeln samt Wägital und March, im Norden die Herrschaften Spiegelberg und Tannegg sowie die Vogtei Fischingen. Ab dem späten 14. Jahrhundert gelangten große habsburgische Schuldpfänder durch Kauf in den Besitz der Toggenburger, so 1384 Kyburg bei Winterthur, 1406 Sargans, Windegg, Freudenberg und Nidberg, nach 1415 Feldkirch, 1424 Altstätten, Rheineck und Bregenzerwald. 1394 wurde die Herrschaft zwischen Donat (erwähnt 1353–1400), dem Sohn des letztgenannten Friedrich, und Friedrich VII., dem Sohn von Donats Bruder Diethelm (erwähnt 1353–1385), geteilt.
Nach Donats Tod drohte die Zersplitterung des Erbes. Friedrich VII. kaufte jedoch 1401 das gesamte Erbe mit Ausnahme von Tannegg, Lommis und Kyburg von Donats Tochter Kunigunde (erwähnt 1387–1425). Die damit einsetzende Verlagerung der Familienpolitik aus dem zürcherischen Raum hinaus nach Osten verstärkte sich 1436, als Friedrich VII. als letzter Graf von Toggenburg kinderlos starb, nachdem er weitere Rechte im Schanfigg aus dem Erbe der Matsch erworben hatte.
Friedrichs Gattin Elisabeth von Matsch sah sich vorerst als Alleinerbin, begab sich dann angesichts der komplexen Erbsituation – Pfandansprüche Österreichs neben oberlehensherrlichen Forderungen des Reiches und diversen Erbansprüchen entfernter Verwandter – unter Zürcher Schutz. Österreich löste verschiedene Pfänder zurück, das Reich verzichtete 1439 auf seine Ansprüche. Die Stammlande der Herren von Toggenburg gelangten an die Herren von Rhäzüns und von Raron, weitere Allode an die Herren von Montfort-Tettnang, von Sax-Misox, von Brandis und von Aarburg. Die genauen Umstände dieser Erbprozesse sind nicht genügend geklärt. Strittige Fragen um einige Pfänder des Letzten der Grafen von Toggenburg trugen zur Entstehung des Alten Zürichkriegs bei.
Das Wappen im Codex Manesse zeigt in Gold eine schwarze zottelige Dogge mit rotem Stachelhalsband. Auf dem goldenen Topfhelm zwei silberne zugewendete und gestürzte Barben, die mit den Mäulern in den Helm beißen.
Die Toggenburger führen zuvor bis 1308 ein Wappen, das links einen in Gold stehenden roten Löwen, rechts einen blauen halben Adler aufweist, die sich an den Schnittlinien berühren, beide bekrönt von der Adelskrone. Dieses Wappen ist unter anderem auf dem Grabstein von Diethelm V. von Toggenburg und im Stiftungsgemälde in der ehemaligen Johanniterkommende Bubikon zu sehen. Ab 1228 erscheint das bekanntere Wappen, die in Gold stehende rotbewehrte schwarze Dogge mit roter Zunge und später auch mit gelbem Stachelhalsband. Dieses Wappen ging nach 1436 auf die eigentliche Grafschaft Toggenburg über.
Quellen: Ingo F. Walther, Codex Manesse, Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhandschrift, Frankfurt am Main 1988. Nachrichtenportale im Internet: Wikipedia.