Die Grafen von Moers
Wo das ursprüngliche erste Allodialgebiet der ersten Edelherren von Moers lag, ist bisher nicht bekannt. Der erste urkundlich belegbare Kauf eines Grundstückes im Bereich der Burganlage in Moers stammt von 1288. Zu diesem Zeitpunkt kauften die Edelherren Dietrich und Friedrich von Moers hier Grundbesitz von der Abtei Werden.
Dietrich I. von Moers (1226–1262) (Dietrich auch Theoderich geschrieben) ist der erste urkundlich nachweisbare regierende Graf. In einer Urkunde von 1226 beurkundete er der „Abtei Camp“ ein Grundstück erworben zu haben. Es folgten sein Sohn und Erbe Dietrich II. (1262–1294) und die weiteren Mitglieder dieser Adelsfamilie, die im Kapitel „Amtierende Grafen von Moers“ angegeben sind. Dietrich II. war mit dem Grafen von Geldern auf der Seite von Kurköln Teilnehmer der Schlacht von Worringen, die 1288 den Limburger Erbfolgestreit entschied und die Machtverhältnisse besonders im Gebiet von Maas und Niederrhein veränderte (siehe Vertrag von Vinnbrück). Zu seiner Absicherung, falls die Partei, der er angehörte, verlieren sollte, hatte er vorher die Lehensoberhoheit der Grafen von Kleve für das Gebiet Moers anerkannt. Kleve war bei dieser Auseinandersetzung neutral und konnte deshalb nach Ende des Krieges dem in Gefangenschaft geratenen Grafen von Moers das Lehen und damit den Besitz der Grafschaft erhalten.
Diese Lehensabhängigkeit von Kleve war später häufig umstritten. Friedrich I., amtierender Graf von Moers von 1346 bis 1356, erkannte sie nicht an. Sein Nachfolger Dietrich VI. bestätigte sie zwar bei seinem Amtsantritt 1356 schriftlich, erreichte dann jedoch, dass Kleve 1361 urkundlich bestätigte, dass Schloss und Land Moers kein Mannlehen der Klever sei.
Trotzdem wurde von den späteren Nachfolgern für das Herzogtum Kleve immer wieder die Lehenszuständigkeit geltend gemacht. Beispielsweise war nach Meinung von Graf Adolf II. von Kleve die Grafschaft Moers ein klevisches Lehen. Den Streit hierüber mit Friedrich III. von Moers wurde vom Bischof von Köln in einem Schiedsspruch dahin gehend entschieden, dass dieses Lehen für die Amtszeit von Friedrich III. gültig sei.
Die Grafschaft Moers entwickelte sich schrittweise aus einem ursprünglich nur kleinen Gebiet, das den Edlen von Moers gehört hatte. Wie zu dieser Zeit üblich wurden neue Gebiete entweder mit Gewalt oder durch Kauf erworben. Zusätzlich konnten die Herrschaftsrechte durch rechtlich formale Anerkennungen gegen Ende des 13. und Beginn des 14. Jahrhunderts erweitert und abgesichert werden. Beispielsweise bestätigte König Ludwig der Bayer dem Grafen Dietrich III. von Moers 1317 schriftlich, dass dieser in seinem von Kleve zu Lehen gegebenen Gebiet sowohl für den Wildbann zuständig sei wie auch Wegegelder erheben dürfte.
Bei dem Bestreben, ihr Territorium zu vergrößern, waren aber häufig Widerstände der alten Besitzer zu überwinden. Ein Beispiel hierfür ist der Erwerb des Gebietes Friemersheim durch die Grafen. In diesem Gebiet war die Abtei Werden Eigentümer vieler Höfe und Güter. Um diese abzusichern, verpflichtete der Abt 1297 schriftlich den Vogt der Abtei, die Vogtei Friemersheim mit Borch und Vluyn nicht an die Grafen von Moers zu übertragen und einen Lehensnehmer der Abtei in diesem Gebiet, den Ritter Wilhelm von Friemersheim, gegen die Herren von Moers zu unterstützen. 1366 geriet Bodo von Friemersheim jedoch in Geldnot und verpfändete für 11.800 goldene Schillinge seine Rechte an den Ritter Johann von Moers. Da das Pfand nicht eingelöst wurde, musste der Werdener Abt Johann von Spielberg 1385 die Herrschaft Friemersheim den Grafen von Moers als Lehen übertragen. 1392 wurde die Herrschaft Friemersheim mit den Besitzungen in Vluyn durch zusätzlichen Kauf rechtmäßig ein Gebiet der Grafschaft.
Mit Graf Dietrich IV., der von 1356 bis 1372 regierte, begann eine deutliche Stärkung der lokalen Bedeutung der Grafschaft. Durch die Unterstützung der Moerser für Eduard von Geldern begann eine Annäherung an dieses Herzogtum. Diese führte zur Lockerung der alten Abhängigkeiten, die sowohl zu Kurköln als auch zur Grafschaft Kleve bestanden hatten. Vorteilhaft war weiterhin, dass Ritter Johann von Moers 1364 Eduard von Geldern mit 30.000 Goldschilden unterstützt hatte. Dafür erhielt er die Pfandschaft der Gebiete Millen und Waldfeucht mit der Stadt Gangelt in Geldern. Da Gangelt ein Münzrecht besaß, konnte Moers nun Münzen schlagen.
Durch gute Beziehungen, die sowohl Dietrich IV. als auch dessen Bruder Ritter Johann zu Kaiser Karl IV. hatten, gelangten die Moerser zu weiteren zusätzlichen Einkünften. 1371 erhielt Ritter Johann von Moers vom Kaiser die Erlaubnis, im Bereich der Friemersheimer oder Homberger Werth einen Zoll auf Waren „zu Lande und zu Wasser“ in Höhe von vier Turnosen je Zollfuder zu erheben. Bereits 1372 wurde diese Zollgenehmigung abgeändert, und nun waren neben Ritter Johann auch der Graf Friedrich von Moers und Engelbert III. von der Mark gemeinsam berechtigt, diesen Rheinzoll zu erheben. Ritter Johann verpachtete mit Genehmigung des Grafen von Moers 1372 sein Recht gegen Zahlung eines Erbzinses von 50 Schilden pro Jahr an den Grafen Engelbert von der Mark.
1379 widerrief der römisch-deutsche König Wenzel alle Rheinzölle zwischen Andernach und Rees. Kurze Zeit danach wurde die Genehmigung des Zolls jedoch für die Berechtigten von 1372 wieder im Bereich Homberger Werth erteilt. 1392 vereinbarten die Grafen von Kleve und von der Mark, dass der Anteil der Zollberechtigung von Graf Engelbert nach dessen Tod an den Grafen von Kleve fallen und dieser die 50 Schilde Pacht an die Moerser zahlen sollte.
Ab 1393 kam durch Verpfändung das gesamte Zollaufkommen in die Hand der Moerser. Die Genehmigung für die Erhebung des Zolles durch die Grafen von Moers wurde 1398 von König Wenzel bestätigt. Zusätzlich forderte der König Graf Adolf I. von Kleve und Graf Dietrich I. von der Mark auf, die Moerser bei der Zollerhebung nicht zu behindern. 1411 wurde durch einen Schiedsspruch des Kölner Erzbischofs Friedrich III. nochmals die Zuständigkeit von Moers für den Rheinzoll bestätigt, der aber ab 1541 ohne Einschränkung endgültig ganz in den Besitz der Klever Herzöge gelangte.
Mit einer weiteren Genehmigung durch den Kaiser 1373 wurde den Grafen gestattet, in Friemersheim oder Diedem eine Münzstätte zu betreiben. Die Erlaubnis betraf die Prägung von Goldflorin und Silbermünzen. Wie bereits im Beispiel für Friemersheim angeführt, konnten durch die nun vergrößerten finanziellen Möglichkeiten der Grafenfamilie viele Gebiete zusätzlich erworben und durch Pfandvergaben und Geldeinsatz Einfluss auf machtpolitische Entscheidungen im Bereich des Niederrheins erlangt werden.
Die größte lokale Macht erlangte die Grafschaft unter Friedrich III., der durch Heirat Erbansprüche an der Grafschaft Saarwerden erwarb, die 1399 realisiert werden konnten. Damit herrschte er über zwei zwar räumlich getrennte, aber unter einem Grafen von Moers vereinte Grafschaften. Da Friedrichs Schwager Friedrich III. von Saarwerden von 1370 bis 1414 und nach ihm Friedrichs Sohn Dietrich II. von Moers von 1414 bis 1463 Erzbischöfe von Köln waren, erhöhte dies die lokale Bedeutung am Niederrhein zusätzlich. Bereits nach dem Tode Friedrichs III. wurde über eine Teilung der Verbund der beiden Grafschaften wieder aufgelöst. In allen späteren Verbünden mit Moers waren Adelshäuser aus anderen Territorien federführend.
Nach Friedrich III. folgte sein Sohn Friedrich IV. von Moers als amtierender Graf. Dieser erwarb 1421 über Verpfändung die Jülicher Gebiete Born, Sittard und Susteren, die jedoch später wieder von Jülich-Berg ausgelöst wurden. Nach Friedrich IV. von Moers war Vincenz von Moers der letzte Graf aus dieser Familie, der von 1448 bis 1493 die Grafschaft regierte. Seine Herrschaft fiel in eine Periode, in der am Niederrhein und im Gebiet der heutigen Niederlande und Belgiens einige lokale Kriege um die Zugehörigkeit und den Gebietsumfang einiger Grafschaften und Herzogtümer geführt wurden. Als Verbündeter der Herzöge Adolf und dessen Sohn und Nachfolger Karl von Geldern war er an den Kriegen Herzog Karls von Burgund um das Herzogtum Geldern und mit Kurköln als dessen Gegner beteiligt.
Obwohl Vincenz 1471 von den Ständen in Geldern zum Schirmherrn des Herzogtums ernannt worden war, musste er vor den überlegenen finanziellen und militärischen Möglichkeiten des Burgunders zurückweichen. 1473 eroberte Karl von Burgund weitgehend das Herzogtum Geldern. Hierbei wurde auch die Grafschaft Moers im Juli 1473 von den Truppen des Burgunders erobert und besetzt, und Vincenz musste fliehen. Danach zogen die Truppen nach Süden in Richtung Neuss. Die Belagerung von Neuss ab Juli 1474 wurde im Mai 1475 durch Eingreifen eines Reichsheeres mit einem Waffenstillstand beendet. Karl der Kühne zog sich mit seinen Truppen in Richtung Schweiz und Nordfrankreich zurück und die Grafschaft Moers wurde ebenfalls wieder frei.
Graf Vincenz kehrte nach Moers zurück und in der Grafschaft traten wieder normale Verhältnisse ein. Allerdings war der Graf durch seine militärische Unterstützung Gelderns und später Kurkölns stark verschuldet. Die ihm zugesagten Rückzahlungen für seine Auslagen wurden zwar weiterhin anerkannt, aber nur zu einem geringen Umfang auch tatsächlich geleistet. Wegen seiner hohen Schulden und auch seines fortgeschrittenen Alters übergab Graf Vincenz 1480 vertraglich seine Schlösser und Städte auf 14 Jahre an Herzog Wilhelm von Jülich-Berg. Nach Ablauf der vereinbarten Zeit sollten Schlösser und Städte an seinen Enkel Junggraf Bernhard, der am Hofe des Herzogs lebte, übergeben werden.
Trotz seiner stark eingeschränkten Möglichkeiten reiste Graf Vincenz 1493 nach Paris, um den als Geisel festgehaltenen Karl von Geldern freizukaufen. Da seine zur Verfügung stehenden Mittel dafür nicht ausreichten, tauschte er zusätzlich seinen Enkel Bernhard gegen Karl von Geldern als Geisel aus.
Diese Aktion von Graf Vincenz und seinem Enkel verärgerte den römisch-deutschen Kaiser Maximilian I., da dieser das Herzogtum Geldern für sein Herrscherhaus der Habsburger einforderte. Die Grafschaft Moers wurde deshalb von Truppen des Kaisers besetzt und Graf Vincenz musste erneut fliehen. Um die Grafschaft für seine Familie nicht endgültig zu verlieren, trat Graf Vincenz sie 1493 an den Ehemann seiner Enkelin, den Grafen Wilhelm III. von Wied, ab und zog sich nach Köln zurück. Graf Wilhelm von Wied hatte 1488 die Enkelin von Graf Vincenz, Margarete, die Schwester Bernhards von Moers, geheiratet. Da der Zorn des Königs auch den in Geiselhaft gehaltenen Bernhard wegen des Geiseltausches betraf, konnte Bernhard zu diesem Zeitpunkt nicht als Erbe eingesetzt werden.
Der in der Liste der amtierenden Grafen angeführte Graf Vincenz von Moers war, wie bereits angeführt, nicht das letzte männliche Mitglied der Grafenfamilie. Der erbberechtigte Sohn von Vincenz, mit Namen Friedrich, starb jedoch vor dem Vater und dessen Verzicht auf das Grafenamt 1493. Dieser Friedrich hatte aber bereits seinerseits einen Sohn, den angeführten Enkel Bernhard. Dieser war ab 1493 in Paris als Vertreter für den Herzog von Geldern als Geisel in Gefangenschaft. Nach vollständiger Zahlung des noch ausstehenden Lösegeldes Mitte 1500 wurde Bernhard von den Franzosen entlassen.
Nachdem Graf Vincenz 1499 in Köln gestorben war, versuchten einige Mitglieder aus dem Adelshaus „von Moers“, Graf Wilhelm von Wied aus der Grafschaft Moers zu verdrängen. 1500 forderte Johann von Saarwerden, einer der Enkel Friedrichs IV., als amtierender Graf eingesetzt zu werden. Er begründete seine Ansprüche mit dem Testament Friedrichs III. von Moers. Hierin war vorgegeben worden, dass bei der Erbfolge nur der „Mannesstamm“ berücksichtigt werden durfte. Da Johann von Saarwerden im Dienste Maximilians I. stand, war eine positive Belehnung durch diesen nicht auszuschließen.
Gleichzeitig forderte aber auch der aus der Geiselhaft freigelassene Bernhard von Moers, wieder in sein Erbe eingesetzt zu werden. Bereits in der Gefangenschaft hatte Bernhard gegen seine „Enterbung“ protestiert. Nach seiner Freilassung zog er mit Söldnern, die ihm von der Stadt Wesel und dem Herzogtum Geldern zur Verfügung gestellt worden waren, nach Moers und verlangte den Zutritt zur Stadt. Zu diesem Zeitpunkt waren im Grafenschloss „wiedische“ Truppen stationiert, da Graf Wilhelm von Wied noch der amtierende Graf in der Grafschaft war, aber sich zu diesem Zeitpunkt in der Burg Cracau aufhielt. Dagegen befand sich die Ehefrau des Grafen, Margarete von Wied und Moers, zu diesem Zeitpunkt im Schloss von Moers. Die im Schloss stationierten Truppen waren nicht bereit, ohne Kampf das mit Wall und Graben geschützte gräfliche Anwesen zu übergeben, und konnten die Übergabe für drei Wochen verhindern. Nach der Flucht Margaretes und der Vertreibung der Wieder huldigten die Moerser Bernhard von Moers.
Bernhard wandte sich nun an den deutschen König und bat um Wiedereinsetzung in seine Rechte als Graf von Moers. Mit seinem Vetter Johann von Saarwerden hatte er sich inzwischen dahingehend geeinigt, dass dieser sein Nachfolger werden sollte, falls er selbst ohne Nachfolger sterben würde. Bevor der König über Bernhards Bitte entscheiden konnte, wurde dieser im Juli 1501 während eines Besuches am Hof des Herzogtums Geldern vergiftet. Damit war das letzte direkte männliche Mitglied des Grafengeschlechts von Moers, das begründete Erbansprüche geltend machen konnte, gestorben.
Stammwappen der Grafen von Moers
Das in enger Anlehnung an das Wappenbuch Gelre gestaltete Wappen der Grafen von Moers zeigt in Gold einen schwarzen Balken; auf dem Helm mit schwarz-goldener Decke ein wie der Schild bezeichneter Rüdenrumpf.
Quellen: Codex Gelre, Wappenbuch Gelre, Wappenbuch des Herolds Geldern, niederländisch: Wapenboek Gelre. Johann Siebmachers Wappenbuch von 1701. Ingo F. Walther, Codex Manesse, Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhandschrift, Frankfurt am Main 1988. Nachrichtenportale im Internet: Wikipedia.